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Lebensraum Wildniswälder
Welche Vogelarten sind charakteristisch für die verschiedenen Naturwaldphasen?
Mit zunehmendem Alter der Wälder wächst die Zahl der sie besiedelnden Vogelarten. Besonders Höhlenbrüter profitieren von den fortgeschrittenen Altersphasen. Die Unterschiede zum Wirtschaftswald sind deutlich (vgl. Abb. 2 und 3).
Gibt es Unterschiede in der Siedlungsdichte der Brutvögel?
Typisch ist nicht nur die größere Artenzahl in Naturwäldern, deutlich ist auch die höhere Siedlungsdichte der Arten - ein sicheres Indiz für die Intaktheit / Naturnähe der Bestände. Ganz besonders markant ist die höhere Siedlungsdichte von charakteristischen Altwaldarten wie Hohltaube, Mittelspecht, Schwarzspecht, Grauspecht oder Trauerschnäpper in den ausgesuchten Referenzflächen.
Abbildung 1: Charakteristische Vogelarten in Buchen- und Eichenmischwäldern. Für "Altwaldarten" dürfte vor allem die Phase > 200 Jahre relevant sein.
Abbildung 2:Vergleich der Brutvogel-Siedlungsdichte von "Naturnähezeigern"in
Wirtschaftswäldern des Silikat-Berglandes und Waldreferenzflächen (ÖFS)
mit hohem Alt- und Totholzanteil:
Abbildung 3: Vergleich der Brutvogel-Siedlungsdichte von Altwaldarten
Warum sind Wildniswälder auch gut für den Menschen?
Auch die Menschen profitieren von Wildniswäldern in erreichbarer Nähe. Wildniswälder entwickeln einen besonders hohen Erlebniswert, wenn Wege an sie heranführen und Informationen ihren ästhetischen, ökologischen und historischen Wert vermitteln. Auf diese Weise wird Wildnis erlebbar.
Wie schon ein einzelner Baum-Methusalem, so hinterlassen sehr alte Wälder einen tiefen Eindruck beim Betrachter. Ihr Erlebniswert ist so groß und nachhaltig, dass er für die Menschen in unserer dicht besiedelten Industrielandschaft eine nicht hoch genug einzuschätzende Wohlfahrtsfunktion besitzt.
Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage für die künftigen Generationen ist überdies eine Verpflichtung, die wir uns in Artikel 20a des Grundgesetzes aufgegeben haben.
Der Schutz von Boden und Grundwasser gehört ebenfalls hierzu - Wälder mit ihrer Reinigungsleistung von Boden, Wasser und Luft sind ein effektiver Beitrag zur Einlösung dieser Verpflichtung zum Erhalt der Lebensgrundlagen (nachhaltige Entwicklung - sustainable development).
Auch wirtschaftlich kann der Mensch von den Wildniswäldern profitieren, wenn er von der Natur, den natürlichen Prozessen lernt, wie er sich bei der Waldbewirtschaftung bestmöglich auf den Klimawandel einstellen kann. Ein Aspekt, der auch mit der Naturwaldzellenforschung verfolgt wird.
Sind Wildniswälder schädlich für den Klimaschutz?
Im Gegenteil!
Wird Holz energetisch als nachwachsender Energieträger oder zur Erzeugung von stoffliche Produkten eingesetzt, trägt dies zur Verminderung der CO2-Freisetzung aus fossilen Rohstoffen wie Öl oder Kohle bei (sog. Substitutionseffekt). Zu langlebigen Produkten verarbeitet, leistet der nachwachsende Rohstoff Holz sogar einen Beitrag zur Bindung von Kohlenstoff - und damit auch zum Klimaschutz.
Urwald ist allerdings eine natürliche und effektive Kohlenstoff-Senke. Je älter ein Baum wird, desto mehr und länger fixiert er Kohlenstoff (vgl. STEPHENSON ET AL. (2014)). Neben der Festlegung von Kohlenstoff in altem und totem Holz ist auch die Speicherung in Bodenfauna und durch Bodenbildung im Wildniswald langfristiger, bevor CO2 schließlich wieder in den Lebenskreislauf zurück geführt wird. Eine hohe Bedeutung kommt auch dem ungestörten und nicht durch Erntemaschinen o.a. Fahrzeuge befahrenen Waldboden als Kohlenstoffspeicher zu. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung empfiehlt daher die Ausweisung von Totalreservaten (= Wildniswälder) auf 5% der Waldfläche.
Ausgewählte Stichpunkte für den Mehrwert von Wildniswäldern sind:
- Höherer Totholzanteil im Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern
- Höhere natürliche Strukturdiversität
- Höhere spezifische Abundanz (Artendichte) von Zielartengruppen Vögel, Insekten, Pilze, Fledermäuse etc.
- Keine Rückeschäden/Bodenverdichtung (Schutz von Waldstandorten)
- Bewahrung der Integrität und des Eigenwertes eines vom Menschen nicht direkt beeinflussten Waldes (ethische und ästhetische Dimension)
- Eignung als Referenzfläche/Vorbildfläche für natürliche Abläufe (z. B. für die FSC-Zertifizierung, Forschung …)
- Schutz/Akzeptanz von zufällig und ungeplant entstehenden Prozessen (Eigendynamik/ungesteuerte Stoffkreisläufe)
- Erhaltung der Gen-Ressourcen natürlicher Wälder ohne anthropogene Auslesefaktoren
- Naturerlebnis für Menschen, Erfahrung von Wildnis, Umweltbildung
- Ökosystemdienstleistungen (Reinigungsleistung von Luft, Wasser, Boden)