Inhalt:
Wildnisgebiete im Staatswald
Wozu Wildnisgebiete?
Sollen die Ideen und Ziele der internationalen und nationalen Beschlüsse erfolgreich umgesetzt werden, darf sich der Wildnisgedanke nicht allein auf wenige großflächige Nationalparke beschränken.
Eine sinnvolle Ergänzung ist ein Netz von kleineren Wildnisbiotopen in einer regional möglichst ausreichenden Repräsentanz. Dazu wird auf die Nutzungspotentiale des regenerativen Rohstoffs Holt in diesen Wäldern bewusst verzichtet - eine Prioritätensetzung, die neben der naturschutzfachlichen Sichtweise nicht zuletzt dem politischen Willen entspricht, die zuvor angesprochenen internationalen und nationalen Beschlüsse in die Tat umzusetzen.
Wie wurden die neuen Wildnisgebiete ausgewählt?
Das
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW und Wald und Holz NRW
wählten die nach fachlicher Beurteilung besonders geeigneten Flächen im
nordrhein-westfälischen Staatswald aus. Die Abgrenzung der einzelnen
Flächen wurde im Dialog mit den Regionalforstämtern und Revierbeamten
vorgenommen.
Zusätzlich zur biologischen Eignung wurde auch darauf
geachtet, dass die Gebiete unter Umweltbildungs- bzw. Erlebnisaspekten
zugänglich sind.
Das folgende Schema verdeutlicht den systematischen Ansatz der Gebietsauswahl:
Abbildung 4: Systematischer Ansatz der Gebietsauswahl der Wildnisgebiete im Staatswald
Es ist der nicht repräsentativen Verteilung von Staatswald geschuldet, dass die Verteilung der bisherigen Wildnisgebiete noch nicht repräsentativ für die Vorkommen der Waldtypen in den Naturräumen von NRW sein kann. Die fachlich sinnvolle Ergänzung des Gebietsnetzes kann deshalb nur durch das Einwerben privater und/oder kommunaler Wälder gelingen. Dies erfolgt jedoch nur auf freiwilliger Basis.
Wo befinden sich die neuen Wildnisgebiete im Staatswald?
Das Informationssystem ermöglicht Ihnen, über den Kartenteil oder Suchbegriffe die Wildnisgebiete in Ihrer Nähe zu finden und zu besuchen. Mit Hilfe kurzer Steckbriefe erhalten Sie Sachinformationen zu den Gebieten und können sich auch in die weiteren Fachinformationssysteme (FIS) des Landesamtes begeben.
Das Wildnisinformationssystem bildet im Kartenteil zugleich auch die Prozessschutzzonen des Nationalparks, das Wildnisentwicklungsgebiet des VVS1 im Siebengebirge sowie die Heiligenborner Wildnis im Kreis Siegen-Wittgenstein ab.
Was ist die Flächenbilanz der Wildnisgebiete im Staatswald?
Ausgewählt wurden gut 300 einzelne Flächen – so genannte Wildnisbiotope, die sich auf rund 100 Wildnisentwicklungsgebiete - im Regelfall in FFH- und/oder Naturschutzgebieten - verteilen. Insgesamt werden damit zusätzlich knapp 8.000 ha Staatswald aus der forstlichen Nutzung genommen.
Der Staatswald hat mit 114.000 ha einen Anteil von ca. 12 % an der gesamten Waldfläche des Landes NRW.
In
Summe trägt der Staatswald in NRW inzwischen mit „über den Daumen“
15.000 ha landeseigenem Wald zur Wildnis von morgen bei. Durch die
Wildnisgebiete steigt die Quote nutzungsfreier Wälder im landeseigenen
Forstbetrieb damit auf deutlich über 10 % und erfüllt damit den für
öffentliche Wälder angestrebten Prozentwert gemäß der Nationalen
Strategie zur Biologischen Vielfalt.
Abbildung 5: Anzahl und Flächendimensionen der einzelnen Wildnisbiotope
Welche Maßnahmen sind trotz der Stilllegung erlaubt?
Die Entscheidung zur Stilllegung der Gebiete entbindet nicht davon, die Verkehrssicherheit auf den durch die Gebiete oder an ihnen vorbeiführenden Wegen zu beachten. Dabei muss man sehr behutsam vorgehen. Nur die über die normalen waldtypischen Risiken hinausgehenden offensichtlich erkennbaren, größeren Gefahren werden behoben (sog. "Megagefahren"). Müssen dazu randlich ganze Bäume gefällt werden, so erfolgt dies in den Bestand hinein, bzw. verbleiben die Stämme als liegendes Totholz im Wald.
Sollten in den Wildnisgebieten beispielsweise kleinere Fichten- oder Kiefernbestände existieren (sie werden auch als "Fremdbestockung" bezeichnet), können diese noch vor der endgültigen Stilllegung entnommen werden - sofern dies aus naturschutz- und forstfachlicher Sicht erforderlich erscheint. Auch die Saatgutgewinnung bleibt in Einzelfällen möglich.
Gibt es besondere Regelungen für die Jagd?
Wildnisgebiete sind keine eigenständigen Jagdbezirke, sondern eingebunden in die sie umgebende Jagdfläche. Aus diesem Grund können jagdliche Regelungen nicht ohne Weiteres gesondert erlassen bzw. angewendet werden. Im Falle von erkennbaren Fehlentwicklungen, die das Wildnisziel nachhaltig gefährden, werden aber Lösungen zwischen Forstamt und Jagdpächter gesucht und vereinbart.
Der weitere Weg
- Ersteinrichtungs-Maßnahmen wie die Entnahme nicht bodenständiger Bestockung werden von Wald und Holz NRW durchgeführt. Nach einem Zeitraum von fünf Jahren werden diese Arbeiten überwiegend abgeschlossen sein.
- Fortschreibung des Monitoringkonzeptes seit 2013:
- Biotoptypenkartierung flächendeckend in allen Wildnisentwicklungsgebieten
- Erfassung von Biotopbäumen und Brutvögeln nach der Methode der Ökologischen Flächenstichprobe
- Erfassung von Fledermäusen
- Erfassung von Pilzen
weitere Parameter werden von Wald und Holz NRW erhoben:
- Durchführung einer Permanenten Stichprobeninventur (PSI) analog zur Methodik im Nationalpark Eifel - insbesondere zur Wald-Strukturerfassung
- Waldhistorische Betrachtung mit Flächen- und Regionalbezug
- Gezielte Öffentlichkeitsarbeit - Wildnis soll erlebbar gemacht werden
- Erarbeitung von Informationsmaterial
- Einrichtung von Naturerlebnispfaden in und um die Gebiete, z. B. je Region ein Modellprojekt
1 Der Verschönerungsverein für das Siebengebirge VVS) besteht bereits seit 1869 und ist somit der älteste Naturschutzverein Deutschlands. Das Wildnisentwicklungsgebiet wurde über Vertrag mit dem Land NRW im Mai 2010 eingerichtet.